Ich bin dafür, dass Leuten erlaubt werden soll, Charaktere mit der Geschlechtsidentität zu spielen, die sie selbst wollen. Das hat das Potential für viel Gutes, das meiner Meinung nach die potentiellen Risiken deutlich überwiegt.
Das geht schon damit los, dass es in dem Hobby zu einem wichtigen Teil für mich darum geht, seine Kreativität auszuleben. Darüber hinaus ist es für mich naheliegend, dass Rollenspiel, Theater, Impro und ähnliche Aktivitäten natürliche Felder sind, wo Personen, die sich entweder ihrer eigenen Geschlechtsidentität unsicher sind, oder die sich mit ihrem Geschlecht in ihrem sonstigen Umfeld nicht ausreichend akzeptiert fühlen, sich ausleben und ausprobieren können. Und ich finde es richtig, wünschenswert, und fördernswert dass sie das dürfen. Und selbst Leute, auf die das nicht zutrifft, sollten die Gelegenheit haben, mit dem Konzept Geschlecht zu experimentieren, so lange dies respektvoll geschieht.
Ein blankes "kein Cross-Gender" wirkt auf alle abschreckend, die irgendwie in die im obigen Absatz beschriebene Kategorie passen. Was meint die Person mit "Cross-Gender"? Geht es rein um die Stimmlage? Oder das als Kind zugewiesene Geschlecht? Was macht eine genderfluide Person, die sich zu verschiedenen Zeiten mit verschiedenen Geschlechtern stärker identifiziert? Eine Person könnte das Gefühl bekommen, dass sie, um diese Fragen und noch viele viele mehr zu beantworten, mehr von ihrem Inneren preisgeben muss, als sie möchte. Denn immerhin sollte doch eigentlich gelten "My Gender - My Business", oder? Und was ist mit Nichtbinären Personen? Dürfen die nur nichtbinäre spielen?
Ich selbst spiele selten Charaktere, die nicht cis-männlich (mein eigenes Geschlecht) sind. Das liegt vor allem daran, dass ich kein gutes Verständnis dafür habe, was eine Person charakterlich männlich oder weiblich macht, abgesehen von gesellschaftlichen Stereotypen, sodass Geschlechtsidentität selten ein Faktor in meiner Charakterisierung ist. Aber es kam schon gelegentlich vor und ich hoffe, dass das für niemanden unangenehm war. Und natürlich kommen, wenn ich leite, auch Charaktere anderen als meines Geschlechts vor. Aber auch wenn ich das selbst üblicherweise nicht mache, halte ich doch das Recht anderer, sich so auszuleben, für schützenswert.
Das potentielle Risiko, dass Leute diese Möglichkeit nutzen, um beleidigende sexistisch-überzeichnete Charaktere zu spielen, ist absolut gegeben und erwiesenermaßen geschieht das auch. Mir ist das glücklicherweise bisher noch nicht passiert, aber ich fände es sehr unangenehm, wenn es das täte.
Ein blankes "Kein Cross-Gender" halte ich hier aber für die falsche Lösung, denn sie bestraft all jene, die Rollenspiel einfach nur nutzen wollen, um sich auszuprobieren. Stattdessen wäre hier ein Kommentar im Sinne von "Charaktere, die beleidigende Stereotypen darstellen, zum Beispiel sexistische oder rassischte Klischees, sind nicht willkommen." sowohl sehr viel klarer was das Ziel angeht, als auch offener und willkommener für die (wie ich hoffe) Mehrheit der Spielenden, die mit gutem Willen an unser Hobby heran gehen.
Bin ich deshalb für eine Vorschrift, kein "Kein Cross-Gender" zu nutzen? Nein, denn Zwang ist nur selten die Lösung und ganz sicher nicht hier. Es ist absolut nicht zielführend, hier aggressiv vorzugehen, das führt nur zu verhärteten Fronten. Stattdessen hoffe ich darauf, durch respektvollen Diskurs und gute Vorbilder Überzeugungsarbeit zu leisten.