Das Ende vom Anfang
Das Katholikenviertel in London war schon lange ein in sich geschlossenes System gewesen, eine Enklave von Menschen, die sich nicht anders als fremd und unerwünscht fühlen konnten in einer Stadt, in der Katholizismus nicht viel anders als Satanismus behandelt wurde.
Es war neu, dass es sich in ein gewisses Mysterium hüllte. Es waren die Raben, zumindest sagten das alle Nichtkatholiken in der Stadt. Man konnte sich schwerlich durch die engen Gassen bewegen, ohne wenigstens einen Raben zu sehen. War man fremd beobachteten sie einen und mancher Mann, der Übles vorgehabt hatte, erzählte später im Gefängnis, die Raben hätten ihn verfolgt.
Auch auf dem kleinen Pfarrhaus saßen immer einige Raben und blickten interessiert jeden Fremden an, der durch die Gasse schritt.
„Sie müssen zugeben, dass das alles SEHR ungewöhnlich ist, Pater.“ Inspector Pratchett sah misstrauisch zu den Raben nach oben, die sich auf einem Baum vor der Kirche aufgereiht hatten und überall hin sahen, nur nicht zu ihm. Der Inspector fühlte sich ohnehin nicht sonderlich wohl. Sein Anzug war zu eng (eine eindeutige Sabotage von...jemandem), er hatte seit einiger Zeit Probleme mit dem Atmen und hustete oft und er war immer noch der Ansicht, dass man den heutigen Tag irgendwie hätte verhindern müssen.
„Sie sehen zu oft Mysterien, wo es keine gibt, Inspector.“ Walker war ganz ruhig, während er neben der Kirchentür stand. Als er den Kopf leicht drehte, in Richtung der sich nähernden Kutsche, taten es die Raben auf dem Baum auch. „Raben sind ganz gewöhnliche Tiere. Kein Grund, sich solche Gedanken zu machen.“
„Hmpf.“ Pratchett sah wieder zu den Raben und beschloss dann, sie zumindest für den Moment zu ignorieren. „Es ist nicht nur das. Was ist mit Ihren Nachbarn?“
„Sie sind recht lebhaft.“
„Die eine Tochter ist ständig auf dem Friedhof und niemand hat jemals ihr ganzes Gesicht gesehen!“
„Ich habe es gesehen. Eine furchtbare Hautkrankheit. Das arme Mädchen schlägt sich mit Gottes Hilfe sehr tapfer. Was könnten Sie dagegen haben, dass es Trost und Ruhe auf einem Gottesacker sucht?“
„Harumpfh!“ Pratchett schüttelte missmutig den Kopf und sah dann auf seine drückenden Schuhe. Er wollte eine Pfeife haben. Oder besser noch: Ein gutes Ale oder Whiskey. Aber Alexia war überaus...deutlich gewesen, was das angegangen war. Er fragte sich wirklich, woher sie diese Aufsässigkeit hatte. Sicherlich nicht von ihrer Mutter. Vermutlich war ihr der Sturkopf von selbst gewachsen durch all die merkwürdigen Bücher, die sie dauernd las. Das konnte nicht gesund sein.
„Sind wir zu spät?“ Schwester Me- MRS HUNTER (Es war immer noch überaus merkwürdig, sie so zu nennen. Nonnen sollten wirklich nicht heiraten. Es war gegen die Natur!) kam mit geröteten Wangen auf sie zu, zwei bockige Kinder hinter sich her ziehend. Die dunklen Haare der beiden waren mit Müh und Not gezähmt worden, aber sie hatten Flecken und kleine Risse auf der Kleidung. Zweifellos etwas, das sie auf dem Weg hier her geschafft hatten. Die beiden waren berüchtigt dafür, alles zu jagen, was sich irgendwie bewegte oder auch Essen zu stehlen, das ihr Vater dann später bezahlte. Die beiden waren immer hungrig, auch wenn Inspector Pratchett bestätigen konnte, dass sie gut gefüttert wurden. Sie sahen ihrem Vater erstaunlich ähnlich, der gemäßigter hinter her kam. Helena Hunter war immer einen halben Schritt hinter ihm, ihr Gesicht verdeckt von einem Schleier, der gerade so ihre Augen erahnen ließ.
„Sie sind wie immer überaus pünktlich, Schwester.“ Walker nickte ihr zu und ignorierte das leichte Knurren, das von Hunter kam. Ein Eichhörnchen hüpfte vorbei und eines der Kinder wollte hinter her, nur um von Mrs Hunter am Kragen zurück gehalten zu werden.
„Kommt Pater Cecil?“
„Mein…“ Inspector Pratchett versuchte es auszusprechen und ließ es dann doch bleiben. Vielleicht würde er es am Ende des Tages schaffen. Dann, wenn Alexia ihm endlich zugestanden hatte, seinen Kummer auf die einzig hilfreiche Art zu bekämpfen. „Mr Fletcher war sehr deutlich in seiner Ablehnung von Pater Cecil.“ Er konnte ihm diesbezüglich nicht einmal widersprechen. Es sprach für sich, dass es Pater CECIL war und nicht Pater Green. Der Mann war nicht für das Priesteramt geeignet und Inspector Pratchett war froh genug, dass er sich nicht mit noch mehr merkwürdigen Gestalten herum ärgern musste.
Sie alle wurden still, als eine Kutsche vorfuhr und Alexia ausstieg, strahlend, in weiß und alles in allem viel zu gut für den merkwürdigen Fremden, den sie auf der Straße aufgelesen hatte und der nun in der Kirche auf sie wartete.
Fletcher war wenig überrascht, als ihm plötzlich eine dunkle Katze um die Beine strich. Er sah schmunzelnd hinunter, warf einen kurzen Blick über die Gäste und zu der noch geschlossenen Tür, ehe er in die Hocke ging und dem Tier mit zwei Fingern vorsichtig über den Kopf fuhr.
„Ich habe dir noch nicht richtig gedankt, hm?“, fragte er leise und die Katze schnurrte.
Über ihm begann die Orgel zu spielen und Fletcher zuckte mit den Schultern. „Ich fürchte, wir werden das verschieben müssen.“ Er stand wieder auf und spürte mehr als dass er es wirklich sah, wie Pater Walker hinter ihm seinen Platz einnahm. Er schlug ihm kurz auf die Schulter, ehe er ganz vorbei war.
„Wissen Sie“, sagte Walker, während die Tore aufgestoßen wurden und das Sonnenlicht in die Kirche floss, sich alle Menschen umdrehten, um zur Braut zu blicken, „ich denke, dass wir alle noch lange an diesen Tag zurück denken werden, als an den Anfang von einem wunderbaren Abenteuer.“
Ende (vom Anfang)
-> Der Epilog von 5 Jahren Cthulhu