Salute!
Auf Twitter geht in der internationalen Rollenspielbubble gerade die Frage "10 TTRPGs that influenced me. What are yours?".
Ich möchte gerne diese Frage für die Drachenzwinge aufgreifen und erweitern, da wir hier ja keine Zeichenbegrenzung haben:
Welche zehn Pen-&-Paper-Rollenspiele haben Dich besonders beeinflusst und warum?
Ich mache mal den Anfang:
1. Warhammer Fantasy Rollenspiel
Ich habe 2005 auf der Spiele Messe in Essen das deutsche Grundregelwerk der zweiten Edition erworben. Ich war bereits zuvor Warhammer affin, da ich sowohl eine Zeit lang das Warhammer Fantasy Tabletop (Unote, später Oger), Mordheim (Dunkelelfen) und insbesondere Blood Bowl (Orks, später Chaos Pact auch auf NAF-Tunieren) gespielt habe. Vom Grundregelwerk war ich sofort hin und weg und es führte zu meinen Pen-&-Paper-Rollenspiel Erfahrungen die ich online per Voicechat und MapTool hatte. Als ich mich auf der Drachenzwinge angemeldet hatte, war es auch Warhammer Fantasy Rollenspiel, welches ich als erstes geleitet habe. Fünf Jahre habe ich hier die Kampagne Der Innere Feind geleitet. Es ist das Rollenspiel zu dem ich immer wieder zurück kehre. Ich schätze sowohl die Dark Fantasy und Grim Dark Horror Elemente, als auch den britischen Humor der sich darin befindet und sich zu einer für mich perfekten Symbiose vermengt. Aktuell spiele ich die neueste 4. Edition.
2. Dread
Dread oder DREAD, wie ich es gerne schreibe ist eine Offenbarung für mich gewesen. Ein Oneshot Horror Rollenspiel mit einem Holzklötzchentutm/Jengaturm als einzige Spielmechanik. Fällt der Turm um, bist Du raus aus dem Spiel. Brutal, kompromisslos und simpel. Doch nicht nur die Spielmechanik des Turmes übt eine große Faszination auf mich aus. Es sind auch die Fragebögen, welche die Spielenden für ihre Charaktere im Vorfeld ausfüllen. Diese verweben sich zu einem Konfliktnetzwerk und ich habe hier meinen Spielleiterstil des Puppetmaster entdecken und perfektionieren lernen gelernt. Wie leitet ein Puppetmaster? Er überlässt den Charakteren die Bühne, bleibt selbst im Hintergrund und zieht an den Fäden, hält die Stimmung am laufen, stichelt und sorgt ggf. für die Eskalation. Zuvor war ich als Spielleiter immer vorsichtig, was z.B. auch Charaktertode angeht. Bei DREAD habe ich diese Vorsicht abstreifen können und seitdem immer mehr den Reiz am Horror Rollenspiel gefunden. Überleben wird nicht geschenkt, man muss es sich hart verdienen. Und selbst das Überleben der Charaktere hat oftmals einen schalen Beigeschmack und fühlt sich nicht wirklich wie ein Sieg an. Kein Spiel für Zartbesaitete. Der einzige Haken ist, dass sich die Holzklötzchenturm Mechanik nicht wirklich online umsetzen lässt. DREAD CLOCK ist mein persönlicher Versuch das adrenalingeladene Konfliktspiel aufs Pen-&-Paper-Rollenspiel per Voicechat zu übertragen. Und es ist mir auch ab und an gelungen dem ziemlich nahe zu kommen. Doch letztlich ist DREAD ein Spiel für das offline Spiel.
3. Ten Candles
Aufgrund einer Empfehlung von Askhy wurde ich auf Ten Candles aufmerksam. Zunächst habe ich es mehrfach offline am Tisch im Rahmen der Drachenzwinge Convention geleitet. Die namensgebenden zehn Kerzen sind physisch vorhanden und geben dem ansonsten verdunkelten Spielraum eine ganz besondere Stimmung. Es fängt den melancholischen Horror sehr gut ein. Auch passend dazu ist das rituelle Verbrennen von Zetteln/Karteikarten, auf denen Eigenschaften, hoffnungsvolle Momente oder düstere Geheimnisse stehen. Ten Candles hat eine sehr intelligente Charaktererschaffung, die simpel, wie auch effektiv ist. Indem man seinen Sitznachbarn jeweils positive, wie negative Eigenschaften zuschreibt werden deren Charaktere nicht nur definiert sondern zugleich in Beziehung gesetzt. Es gibt noch weitere stimmungsvolle Spielelemente, die ich hier gar nicht weiter spoilern möchte. Gerade das erste Ten Candles Spielerlebnis ist stets ein ganz besonderes. Eine ganz andere Facette des Horrors. Alle Charaktere werden sterben, im Spiel erlebt man deren letzte Geschichte. Ruhig, melancholisch und mit einem emotionalen Nachhall. Dieses Spiel habe ich Dank MapTool und jetzt Foundry Virtual Tabletop auch sehr gut ins Pen-&-Paper-Rollenspiel per Voicechat transferieren können. Aufgrund der Spielthematik ist Ten Candles ein Spiel für Erwachsene.
4. Kult
Durch igor kam ich zu Kult. Kult war meine erste Erfahrung als Spieler mit personal Horror. Die Charaktere haben Eigenschaften und Gaben, welche auch ihre Umwelt beeinflussen und die Umwelt sie. Der Horror fühlt sich hier für mich daher so packend an, da sie die Charaktere in den Fokus setzen. Ja, es gibt einen Metaplot, bei denen die Charaktere ähnlich wie in anderen Horror Rollenspielen nur ein kleines Rädchen oder gar völlig bedeutungslos sind. Doch waren meine Spielerlebnisse mit Kult immer so unmittelbar mit den Charakteren verknüpft. Es ist auch das Pen-&-Paper-Rollenspiel welches ich bevorzugt als Spieler erlebe, obwohl ich sonst mehr der geborene Spielleiter bin. Sicher half mir auch die oft sehr gegenwartsbezogenen Settings mich gut in die Spielwelt fallen lassen zu können. Und...der Tod der Charaktere muss nicht das Ende der Geschichte bedeuten. Was ist unsere Welt? Was ist Realität? Was gaukelt unser Kopf einem vor? Ein wundervolles Horror Pen-&-Paper-Rollenspiel!
5. Witch - The Road To Lindisfarne
Witch - The Road To Lindisfarne oder nach meiner Übersetzung Die Hexe - Der Weg nach Lindisfarne war mein erstes spielleiterloses Erzählrollenspiel. Ich kannte so etwas zuvor nicht. Ich glaube es war das Setting des mittelalterlichen Britanniens zur Zeit der Pest und Hexenverfolgung, welches mich überhaupt darauf aufmerksam gemacht hat. Eine Aktstruktur, vorgegebene Charaktere in gegenseitigen Beziehung mit verknüpfenden Leitfragen, welche bei jedem erneuten Spiel erneut neu interpretiert werden können. Die namensgebende "Hexe" bei der nicht klar ist ob sie denn überhaupt eine ist. Ein Finale bei dem die anderen Charaktere über das Schicksal der "Hexe" entscheiden. Verbrennt sie auf dem Scheiterhaufen oder wird sie vor den Flammen verschont? Lagen die Charaktere mit ihrer Entscheidung letztlich richtig oder falsch? Welche Auswirkung hat es auf den Epilog? Ich bin immer noch begeistert, wie gut Die Hexe - Der Weg nach Lindisfarne funktioniert. Und ich habe dieses Erzählrollenspiel schon so oft gespielt. Durch Die Hexe - Der Weg nach Lindisfarne kam ich auch auf weitere Erzählrollenspiele, wie Dæmon of the Forest, Marquis of Ferrara und The Final Voyage of The Selene. Und ich habe mit Dakota - Der Weg nach St. Paul mein eigenes Erzählrollenspiel geschrieben. Mein Herz schlägt für diese Art des gemeinsamen gespielten Erleben einer in einem Rahmen abgesteckten Geschichte. Witch - The Road To Lindisfarne ist auch für Einsteigende im Erzählrollenspiel gut geeignet.
6. Itras By
Durch Iona kam ich Spielmechanik der Entscheidungskarten von Itras By erstmals in Kontakt. Als proIndie dann eine deutsche Übersetzung von Itras By gecrowdfundet hat war ich mit dabei. Dennoch war ich zunächst unsicher, wie ich das surreale Rollenspiel Itras By spielen soll. Zur Erläuterung: Ich bin ein Spieler, der von Meta-Spiel im besten Fall irritiert und im schlimmsten Fall meines Spielspaßes beraubt wird. Doch ich habe eine Methode gefunden meine persönlichen Stärken und das Spiel zu verknüpfen. So entwerfe ich für ein Spiel in Itras By einen Spielstart und improvisiere von dort aus. Allein die Spielenden ziehen diese Entscheidungs- und Zufallskarten und interpretieren sie selbst. Nur wenn jene ins Stocken geraten greife ich als Spielleiter ein und halte das Spiel im Fluss. Die Geschichten in Itras By Stadt sind von den Spielenden gesteuert und als Spielleitung versuche ich die Spielwelt, Nichtspielercharaktere und ihre Eigenarten interessant und skurril zu halten. Itras By ist daher für mich unglaublich angenehm und leicht zu spielleiten. Hier kommt wieder der Puppetmaster in mir durch..
7. ViewScream
Ursprünglich ist ViewScream als Online Live Rollenspiel per Webcam und Voicechat konzeptioniert. In einer knackigen Spielzeit von ca. 1 - 1 1/2 Stunden wird hier eine Konfliktsituation in Echtzeit erlebt. Jeder Charakter hat in ViewScream Probleme, welche nur andere Charaktere möglicherweise für ihn lösen können. Doch diese angebotenen Lösungen sind nicht alle mit Erfolg gesegnet. Dies führt automatisch zu Drama. Manche Spielsequenzen werden durch Triggerwörter/-sätze auslgelöst um das Eskalationspotential zu erhöhen. Es ist faszinierend, wie viel in dieser kurzen Spielzeit möglich ist. Ein Spiel ohne ein Gramm Fett. Konzentriert für diesen Effekt, effizient den Stresslevel hoch haltend. So fühlt sich eine Stunde ViewScream im Nachhinein auch nach viel mehr an. Und es ist das erste Pen-&-Paper-Rollenspiel, welches ich gespielt habe, das explizit für das Onlinespiel entworfen wurde und allein dadurch auch schon eine große Inspirationsquelle für mich geworden. Geht LARP online? ViewScream beantwortet diese Frage klar mit Ja!
8. Plüsch, Power und Plunder
Plüschtiere im Rollenspiel? War erst merkwürdig klingt ist jedoch eines der kreativsten Spielideen, die mir untergekommen ist. Die beseelten Plüschtiere in der Welt der Trampler (= Menschen) haben ihre ganz eigenen Problem. Dreckig werden, beispielsweise. Doch wer zu viel Waschmittel schnüffelt, der kann abhängig werden. In "Heißen Heftchen" (=Spielzeugkatalogen) werden sich Anregungen geholt, auf Skateboards geschrubbelt und fürs Treppen steigen und Türklinken herunter drücken gibt es eigene Fähigkeiten. Es ist irgendwie unsere Welt und doch wieder nicht. Ein wenig kindliche Naivität, die hier auf erwachsene Problematiken trifft. Großes Drama und Herz, verrat und Dystopie. Eine Welt der Vorstellungskraft, welche durch Magie Wirklichkeit werden kann. Plüsch, Power und Plunder ist ungewöhnlich, absurd, liebenswert und völlig verrückt. Doch daher liebe ich es so sehr!
9. Call of Cthulhu
Durch Farodin hatte ich mit dem Call of Cthulhu Now Szenario Abwärts nicht nur meine erste Spielrunde auf der Drachenzwinge, sondern auch erstmals das packende Spielgefühl aus Spielersicht erlebt. Zuvor war ich von Rollenspiel als Spieler immer schon interessiert, doch waren meine Spielleiter allesamt eher mehr im leichten Casual-Spielstil verhaftet. Ich konnte in Call of Chtulhu als Spieler mit fiebern und den Grusel spüren. Leider ist Call of Chtulhu ein Rollenspiel welches rasch an Faszination für mich verloren hat, je mehr ich von der Spielwelt erfahren habe und je mehr ich mit Spielenden zu tun hatte, die mir immer mehr so abgebrüht und über alle Situationen und Schrecken erhaben vorkamen. Mit den richtigen Spielenden ist mit Call of Chtulhu ein tolles Spiel möglich, sie müssen sich auf das Spiel einlassen und sich in den Bann ziehen lassen können.
10. Puppetland
Um Puppetland bin ich viele Jahre herumgeschlichen. Ich konnte mir zunächst nicht so recht das Spiel vorstellen. Doch eines Tages hat es Klick gemacht und ich bin seitdem Feuer und Flamme. Puppetland ist eine Puppendystopie. Punch (Kasperle) hat den Puppenbauer erschlagen und ein Schreckensregime erschaffen. Die Charaktere spielen allesamt verschiedene Puppen, wie z.B. Hand-, Finger-, Scherenschnittpuppen und Marionetten. Diese Puppen haben beschreibende Elemente mit ihren Vor- und Nachteilen. Aufgaben werden ohne Würfel gelöst, sondern nach dem situativen Abwägen welche der Puppeneigenschaften dafür wie gut in Frage kommt. Jede Geschichte geht exakt eine Realstunde, dann schlafen die Puppen ein. Sie erwachen zur nächsten Geschichte (oder zum Folgeteil der Fortsetzungsgeschichte) wieder in ihren Puppenbetten auf. Das Spiel wird von den Charakteren komplett in direkter Rede gespielt, es gibt keine Beschreibungen nur Gesagtes. Der Spielleiter spricht dagegen erzählend in der Vergangenheitsform und kommentiert somit auch die Handlungen der Spielercharaktere. Das wirkt am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig, doch man kommt schnell herein. Insbesondere faszinierend ist, dass die Geschichten rasch an Fahrt aufnehmen, da man sich durch die stetige tickende Uhr weniger verzettelt. Denn wenn die Zeit vorbei ist, schlafen die Puppen schließlich ein. Ein tolles Spiel, vielleicht ein wenig vergleichbar mit den düster-komischen Originalversionen der grimmschen Märchen.