StimmungPlatschen, erneutes Platschen, dann eine längere Pause, dann ein weiteres Platschen. Das Wasser stand ihr bis über die Knie hinweg und sie schleppte sich mit dieser jungen Frau auf dem Rücken weiter.
Vor vier Tagen war sie aufgewacht, am Arm mit Handschellen an die Rohre eines alten Heizungskellers gefestigt, während die Frau ihr immer wieder in einer hart klingenden Sprache gut zugeredet hatte. Mittlerweile war die ukrainische Sprache wieder in ihrem Gedächtnis aufgetaucht, doch das martialische Äußere der Frau und der Anblick von drei Personen, die man scheinbar bei lebendigem Leibe auseinander gerissen hatten, hatten sich über alle Grenzen hinweg in die Bewusstlosigkeit zurückgetrieben.
Als sie das nächste Mal zu sich gekommen war, hatte die Frau sich als
Tanya Petroi vorgestellt und ihr einen kurzen Überblick gegeben: Sie selbst,
Larka Bielas, hatte die junge Frau aus einem Höhlensystem befreit. Ihre Erinnerungen gaben das ebenso wenig her wie andere Erinnerungen. Sie erinnerte sich einzig an eine Stadt voller Rauch und Nebel, gellende Schmerzensschreie und daran, dass sie einen mächtigen Freund hatte, der sie niemals im Stich lassen würde. Beide Frauen waren gemeinsam durch das Land gereist, auf der Flucht vor Verfolgern, deren Motivation sie nicht herausbekamen, weil sie die hiesige Sprache nicht verstanden, aber deren Zahl groß, wenigstens dreistellig zu jeder Zeit, sein musste.
Die Erinnerung vor vier Tagen, so erzählte Tanya, stammte aus der Zeit, wo sie während Tanyas Erkundungen gefunden worden war. Schlaftrunken hatten einige Betäubungsgranaten ihr das Licht ausgeknipst und Tanya hatte sich bei ihrer Rückkehr des Problems angenommen. Ihr Schädel brummte immer noch, wenn sie versuchte die verworrenen Ereignisse in irgendeine sinnvolle Reihenfolge zu bringen.
Vor ein paar Stunden hatten sie Tanya ausgeschalten. Es waren doch Stunden, oder? Ein halbes Dutzend Jeeps, jeweils mit Fahrer und Bordschütze, hatten sie zusammen getrieben und unter dem Sperrfeuer der Sturmgewehre war Tanya zusammengebrochen. In diesem Moment brüllte etwas primitives, beinahe urtümliches in ihr auf. Als sie wieder klare Gedanken fassen konnte, steckten Glassplitter in ihrer Kleidung und sie trug Tanya irgendeine Hauptstraße einer Stadt hinunter.
Dieselbe Straße, deren Ende sie bald erreichen würden. Große Teile der Stadt waren bei einem Luftbombardement zerstört worden. Aber vielleicht, nur vielleicht gab es irgendeine Möglichkeit hier herauszukommen.
Als ihre Beine wieder einmal nachgaben, schaute sie flehentlich zum Himmel, verwischte Tränen und Dreck in ihrem Gesicht und brüllte: "
Warum lässt ihr mich schon wieder allein?"