Ich habe bisher 3 One-Shots mit den TOR Regeln geleitet.
Vorweg:
Die deutsche Übersetzung ist, zumindest in der ersten Auflage, sehr schlecht. Zum Teil ist es da sogar so, dass nicht einmal einheitliche Begriffe für die gleichen Regelmechaniken und Fähigkeiten genutzt werden. Zudem müssen die Würfel dort seperat erworben werden (TOR benutzt D6 und D12 die kleine Regelhilfen besitzen). Ich rate also DRINGEND zum Kauf der englischen Fassung.
Das TOR Basiswerk deckt übrigens nur Abenteuer um den Mirkwood herum ab, wobei es aber wenig problematisch sein sollte, in anderen Regionen zu spielen. Man müsste dann halt nur eigene Kulturen für die Helden entwerfen.
Was das Regelwerk an sich angeht, so ist TOR ein eher erzählerisch orientiertes System. Die Regeln sind daher relativ simpel, es gibt nur eine Handvoll Spezialmechaniken, darunter Hoffnungspunkte, Reisen und Schatten. Die Würfelproben gehen schnell von der Hand, denn es geht nur darum zu sehen, ob die Würfelsumme >= Zielzahl ist. Wenn dem so ist, dann bestimmt die Anzahl der 6 auf dem D6 den erfolg (keine -> gut, 1 -> außergewöhnlich, 2+ -> überragend).
Das Hoffnungs-System ist aus meiner Sicht das Herz von TOR. Der Trick ist, dass die Hoffnungspunkte eine extrem Mächtige Ressource sind, die sich aber während des Abenteuerlebens nur langsam erholt. Zu Beginn starten alle Helden voller Hoffnung, wobei die Maximalmenge von Rasse zu Rasse unterschiedlich ist. Halblinge besitzen am meisten, während Elfen und Zwerge ein verringertes Maximum haben. Wann immer ein Spieler es nicht schafft, die Zielzahl einer Probe zu erreichen, kann er einen Hoffnungspunkt ausgeben, um seinen mit der Probe verbundene Eigenschaftswert (Body, Heart oder Wits) aufzuaddieren. Der trick ist dabei, dass es pro Session höchstens Spieleranzahl+1 neue Hoffnungspunkte FÜR DIE GESAMTE GRUPPE gibt und das Hoffnungspunkte gleichzeitig eine Veteidigung gegen den Schatten und seine Schattenpunkte sind. Während den Abenteuern wird die Gruppe immer wieder mit dem Wirken des Schatten konfrontiert, wobei sie temporäre oder auch permanenten Schattenpunkte erleidet. Sobald die verbliebenen Hoffnungspunkte geringer sind als die Schattenpunkte, läuft ein Charakter Gefahr, stückweise vom Schatten korrumpiert zu werden.
Das führt dazu, dass "junge" Abenteurer relativ freizügig mit Hoffnung umgehen können um ihren Mangel an Fähigkeiten wett zu machen, während Veteranen die Hoffnung benötigen, um ihre Erlebnisse zu verarbeiten und im Auge der mächtigeren Widersacher zu bestehen. Am Ende der Abenteurerkarriere ist angedacht, dass sich der erschöpfte Alt-Held schließlich zur Ruhe setzt und der Spieler mit einem Nachkommen oder Verwandte erneut ins Abenteuer zieht, wobei dieser Held dann einige kleine Vorteile aus der Erfahrung seines Vorgängers ziehen darf.
Sehr nett ist auch die Tatsache, dass die Spieler nach jedem größeren Abenteuer erst einmal eine Ruhepause mit den Charakteren einlegen sollen, bei denen sie selbst erzählen dürfen, was ihnen daheim wiederfährt. Die Spielleiterrolle ist also nicht nur auf eine Person beschränkt und jede Gruppe kann die Anteile zwischen Abenteuern und Ruhrphase nach belieben festlegen. Auch bei den übrigen Spielsituationen (benutzen von Traits, Zuweisung von Hoffnungspunkten) hat der Gruppenkonsens Vorrang.
Ich könnte noch eine ganze Weile weitermachen, aber ich denke, die Beschreibung sollte so reichen. TOR ist ein tolles System für ein eher erzählerisch orientiertes Spiel, bei dem die Spielmechaniken fantastisch mit der Spielwelt verknüpft sind. Alle wichtigen Themen aus Tolkins Werken (Reise, Gemeinschaft, Schatten, Hoffnung, das heroische über-sich-hinauswachsen) sind geschickt in den Regeln verankert. Definitiv das bis dato beste Rollenspielsystem rund um Mittelerde.
Im übrigen gehört das Regelbuch zu den schönste, die ich bisher gesehen habe. Die Bilder sind zahlreich und stimmungsvoll. So gibt es erst einmal zu Beginn jedes Kapitels ein doppelseitiges Stimmungsbild. Selbst das gut bebilderte Pathfinder sieht dagegen alt aus.