Ich werde die Antworten am Ende meines Beitrags nochmals zusammenfassen, aber ich halte eine Antwort in prosaischer Form - und in nahezu umgekehrter Reihenfolge der Fragen - für handfester, um zu verstehen was die Antworten eigentlich wirklich aussagen. Man sehe mir diese Eigenheit nach, denn ich hoffe, dass der Kontext der prosaischen Form die ansonsten sehr knapp ausfallenden Antworten qualitativ eleviert.
Mit Baldur's Gate 1&2 begann mein Interesse für Rollenspiele. Die Welt dieser Spiele hatte mich gefesselt und so stürzte ich mich in das Hobby, dass mir so viel Ärger, aber vor allem auch eine Reihe neuer Freundschaften einbringen sollte.
Ich hatte zuvor nie etwas von Rollenspielen gehört. DSA existierte als vager Schemen am Rande meiner Wahrnehmung. Mein Freundeskreis zu dieser Zeit bestand aus wenigen treuen Begleitern, von denen nur ein Bruchteil an dieser Art von Spiel interessiert waren. Das Internet war eine Ansamlung von Katalogen, Chatseiten und weit verteilten informationen - Jahre vor dem Start von Wikipedia - was es erschwerte spezifische Informationen bezüglich dieses Hobbys - und genauer D&D und den Vergessenen Reichen - zu erhalten.
Nichtsdestotrotz gelang es mir schließlich die Starter Box von D&D 3.0 zu finden. Ein paar Tage später begann ich mit der langwierigen Aufgabe Freunde und Geschwister dazu zu bewegen dieses Spiel auszuprobieren. Irgendwann gelang es mir schließlich aus meinem Freundeskreis eine Anzahl von Spielern zu rekrutieren, die - komplementiert von meinem eigenen SL-SC - ausreichten um wenigstens ein (in meinen jungen Augen dringend benötigte) Minimum an Charakteren zu ermöglichen. Die Spielabende fanden unregelmäßig statt, aber ich hatte meine erste eigene Spielrunde. Vereinzelt sollten weitere Runden folgen, die sich nach kurzer Zeit wieder auflösten und hier und da stießen Gastspieler zu meiner ältesten Runde hinzu und gingen nach einigen Abenden wieder.
Einige Jahre nachdem Neverwinter Nights erschien - in der Tat sogar eine ganze Weile nachdem das zweite Add On auf den Mark gekommen war und praktisch kurz vor Ende der kommerziellen Lebenszeit dieses Spiels - kam ich in ersten Kontakt mit Persistenten Spielwelten. Das Konzept war durch WoW gerade erst ins kollektive Bewusstsein der Popkultur gerückt und mein Unwillen monatlich für ein Spiel zu bezahlen zu sollen, dass ich bereits erworben hatte, ließ mich nach Optionen zum gemeinsamen Spiel auf einer weniger gierigen Plattform suchen. Ich fand also einen Server von Spielern, die gemeinsam NWN spielten. Leider stieß ich hinzu als der Server bereits im Begriff war seine letzten Wochen zu begehen.
Diese Entdeckung aber, gekoppelt mit der noch immer nicht zufriedenstellenden Menge an Tisch-Rollenspiel in meinem Leben, ließ mich wesentlich früher in die persistenten Welten einsteigen, die auch für NWN2 wieder erschienen. 7 Jahre lang sollte ich hier fast täglich meinen Rollenspielhunger stillen können und meine ersten Versuche an digitalem Spielleiten durchführen.
In der zweiten Hälfte meiner Zeit auf einem der Serverprojekte wurde ein Teamspeak-Server für unsere PW eingerichtet und ich konnte zum ersten mal mit einigen meiner Spieler direkt kommunizieren. Es ermöglichte mir einige Ideen näher zu erkunden, zeigte mir aber auch die Grenzen der Technik auf.
Wir lebten und spielten durch die Finsternis, der 4ten Edition von D&D auf unserer kleinen 3.5 Enklave, von der es irgendwann nur noch weniger als ein halbes Dutzend im deutschsprachigen Raum gab.
Irgendwann jedoch erblickte D&D 5e das Licht der Welt und ein paar Wochen nach Erscheinen des neuen Regelwerks, machte ich mich dazu auf dieses näher zu testen. Mein Freundeskreis hatte sich in den letzten Jahren in ganz Deutschland verteilt, aber ich hatte auch viele neue Freunde durch meine Beteiligung am Serverprojekt gewonnen, und so lud ich einige von ihnen zum gemeinsamen Spiel der 5ten Edition auf unserem TS-Server ein.
Das Spiel war lustig und wir probierten uns in einer neuen Umgebung aus - mit all den Kinderkrankheiten, die eine nicht dafür ausgelegte Technik mit sich brachte.
Roll20 war mir damals noch kein Begriff. Fantasy Grounds war für Versuchszwecke ein neues System kennen zu lernen einfach zu teuer. Maptool wirkte mehr wie eine Organisationshilfe - falls man sich überhaupt die Zeit nehmen wollte in die technische Tiefe dieses Programs hinabzusteigen. Meine Quick&Dirty Lösung für die ersten Spielrunden war es daher einfach ein kollaboratives Zeichenprogram im Internet aufzurufen und alle Spieler in den Zeichenraum einzuladen. Es sollte fast ein Jahr irregulärer Termine dauern, bis ich endlich auf Roll20 stieß.
Heute, eineinhalb Jahre nach meinen ersten Schritten auf Roll20, habe ich eine fast wöchentliche, aber wenigstens monatliche Spielrunde, die zu den aktivsten P&P-Runden gehört, an denen ich teilnehmen konnte, bin Teil von einer kleinen Anzahl an One/Few-Shots (gewesen) und hatte diese Umgebung für einen Ausweichtermin unserer regulären Shadowrun-Spielrunde genutzt.
Meine Tipps für Neueinsteiger werde ich am Ende der Zusammenfassung geben.
Zusammenfassung (oder: Die eigentlichen Antworten zu den Fragen)
1.) Wie kamst Du zum Pen-&-Paper-Rollenspiel per Voicechat?Ich wollte mit ein paar Freunden D&D 5e ausprobieren, aber wir waren alle auf ganz Deutschland verteilt.
2.) Hattest Du zuvor schon Pen-&-Paper-Rollenspiel Erfahrungen?Ja. 7 Jahre auf einem Persistent World Server von NWN2 und eine Reihe von RL Spielrunden.
3.) Was sind/waren die größten Herausforderungen beim Einstieg Pen-&-Paper-Rollenspiel per Voicechat für Dich?Ein passendes Program für die organisatorischen Aufgaben zu finden, die Rollenspiele mit sich bringen.
4.) Welche Einstiegstipps für Pen-&-Paper-Rollenspiel per Voicechat Neulinge hast Du?- Benutz ein passendes Program für deinen digitalen Spieltisch. Persönlich würde ich Roll20 empfehlen, weil es kostenlos verfügbar ist und die Community sich Mühe dabei gibt die digitalen Charakterblätter stilistisch nah an offline-Bögen zu halten und dabei gleichzeitig mechanisch viele Vorteile zu bieten.
- Deine Stimme mag noch so gut ausgebildet sein und du bist mit Sicherheit jemand, der Hörbücher vorlesen sollte, aber wenn du willst, dass deine Spieler mit dir und der Spielwelt in Kontakt treten, geh die extra Meile und such visuelle Stimuli für deine Spielrunden zusammen. Rollenspiel am Tisch lebt von der Interaktion und von der Mimik und Gestik der Beteiligten, nicht nur von deren Stimmen und selbst wenn ihr per Kamera-Verbindung interagiert, hast du ein Medium zur Verfügung, dass die ganze Bandweite visueller Hilfsmittel offeriert. Es wäre Verschwendung diese Möglichkeit nicht zu nutzen!
- Wo wir gerade beim Thema sind: Wenn deine Mitspieler damit einverstanden und in der Lage dazu sind, versucht einen Videochat einzurichten. Heute ist einer meiner größten Frustrationspunkte das fehlen von Gestik und Mimik am digitalen Spieltisch. Roll20 bietet entsprechende Mittel zur Kommunikation integriert in die kostenlosen Features. Skype kann ähnliche Mittel zur Verfügung stellen.Theoretisch ist eine digitale Kamera, die du mit dem Rechner verbinden kannst, oder die Kamera deines Smatphones völlig ausreichend.
- Kommunikation ist der Schlüssel zum Erfolg. Benutze alle Mittel die notwendig sind um mit deiner Spielgruppe zu kommunizieren. Termine sind schneller vergessen, wenn sie nur digital gemacht wurden. Missverständnisse sind ohne visuelle Hilfen und ohne verbale Unterstützung schneller verursacht als ohne. Und vor allem: Kommunikation stärkt die Verbindung mit den Mitspielern. Die besten und am längsten bestehenden Spielgruppen sind die, die sich auch ohne Spieltisch verstehen und interagieren.
- Und schließlich: Hab Spaß! Du spielst ein Spiel. Der ganze Sinn dahinter ist es etwas zu tun was dir Freude bereitet, und darüber hinaus wirkt sich deine Freude positiv auf deine Mitspieler aus. (zumindest solange sie nicht auf deren Kosten entsteht) Und das steht in direkter Verbindung mit dem zuvor genannten Punkt. Wenn ihr gemeinsam Spaß haben könnt - ganz egal was ihr gerade macht - dann wird jeder Abend den ihr gemeinsam verbringt ein Erfolg sein. Jede Spielrunde hat mal schlechte Spielabende, an denen nichts funktioniert wie es sollte, oder wo einfach keine Stimmung aufkommen mag. Wenn ihr trotzdem hinterher reden und Spaß miteinander haben könnt, ganz egal ob ihr Katzenbilder teilt oder die Rentenreform diskutiert, dann wird die Zeit selbst nicht verschwendet gewesen sein. Gebt euch Mühe dabei euch mit euren Spielpartnern anzufreunden. Ihr sitzt alle im selben Boot, aber mit Freunden ist die Reise angenehmer.
Edit: Ich bin bereit mich für den Podcast interviewen zu lassen.