StimmungRotwein sog sich in dünnen Schlieren durch das schneeweiße Tischtuch.
Kamil war es gleich. Er betrachtete die Datenströme, zog sich Details heran, verband sie zu neuen Konstrukten. Ein livrierter Diener hatte die Reste des Weinglases beinahe lautlos entfernt und ohne ihn saßen nur noch er und seine Assistentin
Celestine am Tisch.
Ebendiese erhob das Wort und sah den älteren Elfen etwas unsicher an. Sein Wutanfall schien vorüber, doch sie kannte ihn noch nicht so gut. "
Monsieur Petroi, erklären sie mir bitte, welchen Zweck diese Operation hatte. Ich verstehe, warum die Elfe nach Harquin suchen musste, doch das Zulassen des Ausbruchs ..."
Kamil schnaubte einmal und sah dann zu seiner Assistentin auf: "Es ist denkbar einfach. Wir sperren sie ein, wir versorgen sie mit Atemluft und Nährstoffen und im Gegenzug bereichern die Gefangenen uns. Das Komitee erwartet von mir allerdings, dass ich die Situation wirtschaftlicher gestalte. Und ich habe eine Idee. Celestine, Liebes, es ist eigentlich ganz einfach: Wenn sie keine Luft mehr zum Atmen haben, sterben sie. Wenn sie keine Nährstoffe mehr haben, sterben sie. Wenn sie jemals wieder freikommen, haben sie keinen Wert für uns. Doch die Vergangenheit hat gezeigt, dass es durchaus möglich ist, einen metamenschlichen Körper und seinen Geist zu trennen. Ein Gefangener, der über keinen Körper mehr verfügt, verursacht uns keine Kosten. Ein Gefangener, der über keinen Körper mehr verfügt, kann nicht mehr in die Außenwelt zurückkehren. Er kann arbeiten oder aufhören zu existieren. Das ist die Zielstellung unserer Familie und wir haben sieben Jahre Zeit.
Celestine nickte unsicher und musterte ihren Vorgesetzten. Sie verstand immer noch nicht mehr, doch nach dieser - für seine Verhältnisse - langen Erklärung würde weiteres Nachfragen höchstens einen weiteren Wutanfall zur Folge haben.
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StimmungEine Transaktion erregte
Kamils Aufmerksamkeit. Sicher, 50.000 Nuyen waren nicht viel und es gab allein in den letzten zwei Tagen mehrere Dutzend Buchungen mit deutlich höheren Beträgen. Doch dieser Buchung interessierte ihn. Er hatte vor Jahren einmal festgelegt, dass jedes Familienmitglied in einer leicht anderen Farbe dargestellt wurde. Seine Nichte hatte Geld überwiesen?
Ihn störte nicht, dass sie das Geld genommen hatte. Von diesem Gemeinschaftskonto gingen regelmäßig Buchungen aller
volljährigen Familienmitglieder ab und wurden dann auf die persönlichen Konten verteilt. Aber
Tanya galt seit vier Jahren als verschwunden. Die Buchung ging in die Gemeinschaft von Turkestan. Seltsam.
"
Celestine, organisiere ein Außenteam. Sie sollen nach Turkestan aufbrechen. Die genaue Adresse erhältst und Ansprechpartner vor Ort organisierst du."
Sollte Tanya tatsächlich am Leben sein, würde sich einiges ändern.
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StimmungEin weiterer erschöpfter, beinahe gequälter Blick nach draußen.
Palani drehte sich von der Glasfront weg und ließ den Blick durch das Büro seines Vaters schweifen. Er wartete mittlerweile seit über einer Stunde hier und abgesehen von dessen Sekretärin, die zweimal hereingekommen war, um ihn nach seinen Wünschen zu fragen, war niemand aufgetaucht.
Er griff nach einem herumliegenden Controller, stellte die Anlage an und nickte beiläufig im Takt der Musik, während er seine Nachrichten prüfte. Quartalsberichte, Projektfortschritte, Einladungen zu den Veranstaltungen der besseren Gesellschaft - all' diese Dinge interessierten den jungen Mann nicht wirklich. Schließlich: der regelmäßige medizinische Bericht über den Verbleib von
Amélie. Seit den Vorfällen im
Riviera Marriott, die zu ihrer Inhaftierung geführt hatten, hatte er umso mehr ein Auge auf seine Liebste. Er hatte sie nach ihrem Auswurf in der Klinik besucht und sie im Schlaf beobachtet. Die Nachricht, dass sie in die Suchtbehandlung musste, hatte ihn verstört. Es bedeutete, dass sie noch Monate in Rehablitation vor sich hatte. Alles seine Schuld.
Was er las, ließ ihn in seiner Bewegung erstarren. Das teure Markenkommlink fiel auf den Tisch. Verständnislos blickte er auf die Worte des vorletzten Satzes, ehe sich die Mundwinkel hoben.
Seine Amélie würde freikommen. Und um den Rest kümmerte er sich.
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StimmungMüde hob Sari den Blick. Sie hatte die Stadt im Blick. Die Stadt inmitten des Rauchs. Eine einzelne Gestalt löste aus der Schwärze. Er kam zurück. Es war soweit. Unwillkürlich hoben sich ihre Mundwinkel und sie stürzte ihm entgegen. Sie würde ihn in der Mitte der Schlucht erreichen, würde seine Wärme spüren und es würde sie in ihrem Willen bestärken, das hier weiter zu machen. Es geschah unregelmäßig, doch nach all' der Zeit, die sie gemeinsam verbracht hatten, konnte sie es nicht ignorieren.
Schließ erreichte sie ihn, schloss die Arme um die muskulösen Schultern des Skandinaviers und lehnte sich gegen seine Brust, ehe sie hinauf in seine Augen sah. Der dünne schwarze Nebel in seinen Augen jagte ihr jedes Mal eine Gänsehaut über Arme und Rücken, doch sie hatte sich an den Anblick gewöhnt. Der Mann hob die Mundwinkel zu einem wiedererkennenden Lächeln, legte die Arme um sie und drehte sie, als wöge die Frau nicht mehr als ein Blatt im Wind, um sich herum. Während ihrer Umarmung ging er ein paar Schritte weiter und begann zu schwarzem Rauch zu zerfasern.
Sie nickte nur resigniert und bereitete sich darauf vor sich abzufangen. Augenblicke später fiel sie den halben Meter, ein gewohntes Schauspiel. Der umarmte Mann löste sich unterdessen mehr und mehr auf. Der Rauch strömte in der Schlucht zurück gen der dunklen Stadt. Doch etwas anderes ließ sie stutzen. Dort kamen noch mehr Schattenbilder.
Den Tränen nahe beobachtete sie zwei weitere der schattenhaften Abbilder und stürzte auf den nächsten von ihnen zu. Wo sie ihn erreichte, war er noch nicht materiell genug. Sie stolperte durch ihn hindurch, während die Asche einen schwarzen Film auf ihrem Gesicht hinterließ und die verdorbene Luft in Mund und Rachen brannte. Er ging einfach durch sie hindurch und warf ihnen mitleidigen Blick über die Schulter zu ihr zurück. Sie drückte sich durch, rannte ihm nach und erreichte ihn erst, als er wieder zu zerfasern begann.
Tränen rannen über ihre Wangen, während das dritte Abbild zu Asche zerfiel. Weitere kamen ihr entgehen, jedes einzelne trug sein Gesicht, ein perfektes und doch nicht reales Abbild.
Anklagend hob sie den Blick zum Himmel und wimmerte: "
Karl, du bist zurück. Lass' das. Es muss aufhören ..."